Geschichte

In vergangenen Zeiten war es üblich, ältere Menschen, die nicht von Angehörigen gepflegt wurden, in Einrichtungen mit Schlafsälen „zu verwahren“. Der zweite Weltkrieg war für viele Menschen ein gravierender Einschnitt, der Familien zerrissen hatte und viele, auch ältere Menschen auf sich selbst stellte.

In der Nachkriegszeit, auf der Suche nach Lösungen für die soziale Not, stellte sich ein Umdenken ein. Die AWO baute in den kommenden Jahren einige Altenpflegeheime, die sich wesentlich von deren Vorgängern unterschieden – weg von einstigen Schlafsälen. Hin zu einer Stätte der Begegnung, die jedem Bewohner ermöglichen sollte, sein eigenes Leben zu führen.

Auch in Singen am Hohentwiel wurde ein neues Altenheim geplant – im Malvenweg 33. Damals setzte sich, neben anderen, auch Michael Herler, Stadtrat in Singen und Unterbezirkssekretär der AWO Südbaden, für den Neubau ein.

Wer war eigentlich Michael Herler?

Michael Herler, geboren am 2.3.1898 in Viehhausen (Gemeinde Grassau, Bayern), war von 1948-1961 Stadtrat in Singen am Hohentwiel und Unterbezirkssekretär der Arbeiterwohlfahrt Südbaden.

Zur Privatperson: Er war seit 1931 mit Agnes Hüggele verheiratet und in der Meldekartei als Maschinist und Werkmeister gelistet.

Herler setzte sich stets für eine gute Unterbringung von Senioren und für den Bau des AWO-Altenheims ein. Er war als Singener Stadtrat und Unterbezirkssekretär maßgeblich an der Planung des von der AWO realisierten Seniorenzentrums im Malvenweg 33 involviert.

Altersheim mit Hotelcharakter

„Altersheim mit Hotelcharakter“, so titelte der Südkurier 1963. Am 13. September wurde das „Michael-Herler-Heim“ im Malvenweg eingeweiht. Der Bau war von Stadtbaudirektor Ott geplant worden. Besonders gelungen, so der Berichterstatter, sei der Speisesaal, in dem es sogar nachmittags eine vierte Mahlzeit gebe, wie besonders betont wurde. Hermine Seide, die Heimleiterin und „der gute Geist des Hauses“, meinte: „Bei uns geht alles zwanglos zu“, und freute sich über mehr qualifizierte Bewerbungen, als man einstellen konnte. Das sei ein wesentlicher Unterschied zu anderen Häusern, die vergeblich nach Personal suchten. Dass man die Bewohner als ihre Schützlinge bezeichnete, gibt Einblick in eine Zeit, in der alte Menschen nicht immer für voll genommen wurden.

Am 14. September 1963 war es dann soweit und das neue „Michael-Herler-Heim“ im Malvenweg wurde in Anwesenheit prominenter Gäste eröffnet: Der Arbeitsminister Schüttler aus Stuttgart, Martha Schanzenbach, die Bezirksverbandsvorsitzende der AWO, und der Landtagsabgeordnete Erwin Hohlweger. Martha Schanzenbach verwies auf die steigende Lebenserwartung und die wachsende Zahl pflegebedürftiger alter Menschen, die nicht mehr wie früher in der Familie betreut werden könnten. Dabei, so Schanzenbach, die auch Bundestagsabgeordnete der SPD war, dürfe die Würde des alten Menschen nicht übersehen werden. Die Witwe von Michael Herler saß in der ersten Reihe, als das Haus seiner Bestimmung übergeben wurde, während das Schmitt-Bohn-Quintett der Feier einen würdigen Rahmen verlieh, wie der Reporter bemerkte.

Wie kam es zur Namensgebung?

Zwei Jahre vor der Eröffnung des neu gebauten Heims war Michael Herler am 18.3.1961 in Singen verstorben. Im Tätigkeitsbericht der Arbeiterwohlfahrt Ortsverein Singen (Hohentwiel) für das Geschäftsjahr 1963 steht: „Wir sind besonders Stolz auf die Vollendung diesen sozialen Werkes, das unser leider zu früh verstorbene Michael Herler in entscheidender Weise beeinflußt hat. Als Dank wurde dem Heim auch sein Name gegeben.“

Was früher modern war – gilt heute als überholt.

Deshalb wurde auch ab 2007 ein Neubau des Michael-Herler-Heims geplant, das 2012 bezogen werden konnte. Mit dem ersten Spatenstich im Mai 2010 begann ein neuer Abschnitt des traditionsreichen Michael-Herler-Heims. Nach 48 Jahren im Malvenweg wurden mit dem Neubau des Heims in der Masurenstraße neue Maßstäbe gesetzt.

Bislang hatten die langen Flure den Charakter eines Krankenhauses. Im neuen Michael-Herler-Heim leben die Bewohner nun in Wohngruppen zusammen. Dort wird gemeinsam gekocht und in diesem gemeinsamen Lebensraum ist man viel öfter beieinander. Es entstand eine familiäre Atmosphäre. Das neue Modell der Hausgemeinschaften sorgt dafür, dass sich die Seniorinnen und Senioren in überschaubaren Gruppen begegnen. Lesen Sie mehr unter: Räumlichkeiten & Wohnen »

Was noch kommt?

Das wissen wir natürlich auch nicht. Aber es geht immer voran. Und als modernes Haus streben wir, allen neuen Ansprüchen gerecht zu werden. Und unsere Geschichte Tag für Tag weiter zu schreiben und den Alltag neu zu gestalten.

Wer ist eigentlich die AWO?

Die AWO (Arbeiterwohlfahrt) gehört zu den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland. Hier haben sich Männer und Frauen zusammengefunden, um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und um den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen.

Zu den Einrichtungen der AWO gehören Heime inkl. Wohngemeinschaften, Tagesstätten, Auskunfts- und Beratungsstellen, ambulante Dienste, Tages- und Werkstätten.

Am 13. Dezember 1919 wurde die Arbeiterwohlfahrt gegründet. Sie sollte alle jene Kräfte zusammenführen, welche vor und während des 1. Weltkrieges freiwillig und in solidarischer Gesinnung Wohlfahrtspflege betrieben hatten.

„Die Gründerin der Arbeiterwohlfahrt, Marie Juchacz, war die erste Frau, die die Rednertribüne eines deutschen Parlaments betrat. Diese Frau, in deren Wesen sich Nächstenliebe, politischer Sachverstand und kämpferisches Selbstbewusstsein glücklich vereinten, bestimmte vom ersten Tage an den Weg dieser Gemeinschaft.“ (Aus dem Vereinsarchiv der AWO)